Allerorten wird beklagt, dass
immer weniger gelesen wird. Ich halte das für einen Irrtum. Abgesehen
von der Tatsache, dass zu allen Zeiten die Stützen der Gesellschaft
gefunden haben, dass die Jugend allzu labil sei und entweder zu viel
Falsches oder zu wenig Richtiges tue, jedenfalls nicht das, was man
für sie beschlossen hatte, leben wir in einem Zeitalter, in dem mehr
gelesen wird als je zuvor.
Kaufte mein Vater einen
elektrischen Rasierer, dann ging er in ein Elektrogeschäft und ließ
sich vom Verkäufer das Ding erklären. Zu Hause rasierte er seinen
Bart und war zufrieden. Heute müßte er einige Zeit mit Bart durchs
Leben gehen, denn vor Inbetriebnahme des Gerätes hätte er ein Manual
(neudeutsch) zu studieren. Das Zeitalter der Gebrauchsanweisungen
(altdeutsch) ist angebrochen! Diese sind erstens mindestens 100 Seiten
lang und zweitens so geschrieben, dass niemand sie verstehen kann.
Seit Boris Becker mir allerdings
erzählte, sogar er sei ganz leicht drin gewesen, keimte in mir der
Gedanke, mich ebenfalls ins Internet zu begeben. Ich ging planmäßig
vor und erstand zuerst ein Notebook – wenn schon online, dann
allover-alone-line - , danach einen ISDN-Anschluss. Thomas Gottschalk
hatte mir versprochen, dass alles ganz schnell geht, und wenn ich
schon drin sein muss, dachte ich bei mir, dann wenigstens schnell.
Nachdem mir ein befreundeter
Chirurg sein Skalpell vorbei gebracht hatte, konnte ich ohne Anleitung
das Paket, in dem sich mein Notebook befand, öffnen. Ein Lexikon, das
sich als Handbuch ausgab, quoll mir als erstes entgegen. Literarisch
aufgeschlossen blätterte ich darin und fand als ersten Punkt die
Bemerkungen zur Sicherheit vor. Schon der erste Hinweis warf für
einen gewissenhaften Konsumenten wie mich jede Menge weiterer Fragen
auf:
Schalten Sie den Computer
während des Betriebs nicht aus.
Einerseits wird niemand auf die
Idee kommen, ein Gerät auszuschalten, wenn es nicht in Betrieb ist,
weil man es dann ja höchstens einschalten kann. Wie, andererseits,
schalte ich mein Notebook dann jemals aus, wenn es irgendwann in
Betrieb ist? Hier stürzte mich das Handbuch bereits in schwere
Gewissensnöte, aber es kam noch schlimmer, abgesehen von dem wirklich
hilfreichen Rat:
Werfen Sie weder den Computer
noch Zusatzgeräte in offene Flammen.
Ein wirklich guter Tipp, denn
ich war nach dem ersten Hinweis bereits in Gefahr, eben dies zu tun.
(Psychologen ist diese Erscheinung als Manual-Syndrom bekannt.) Auch
die folgende Information führte zu keiner nennenswerten Beruhigung
meiner Nerven:
Falls die LCD bricht, berühren
Sie nicht die auslaufende giftige Flüssigkeit.
Wenn ich
wüsste, was die LCD
ist, wäre mir wenigstens ein bisschen geholfen gewesen! So blieb mir
nur die Hoffnung, dass das Handbuch mich aufklärte. Das war nur
bedingt der Fall, abgesehen für den wahrhaft hilfreichen Ratschlag
für Flugreisen. Über den Wolken ist die Welt noch einfach:
Befolgen Sie die Anweisungen in
Flugzeugen.
Was aber mache ich hier auf
Erden? Nun ging es ans Eingemachte, wie unsere germanischen Nachbarn
sagen, also ans Auspacken und Einschalten, noch war mein tolles
Notebook gut verpackt und ich bereits aus dem Häuschen.
Zu meiner Überraschung war mein
frisch erstandener Computer bereits zusammengesetzt, das Unternehmen
setzt offensichtlich auf Konsumentenfreundlichkeit. Die Taste zum
Einschalten war schnell gefunden, interessant der Hinweis:
Mit dieser Taste können Sie das
System an- bzw. ausschalten. Nach korrekter Konfiguration unter SCU
können Sie diese Taste als Suspend/Wiederaufnahme-Hotkey verwenden.
Als echter Technikfreak weiß
ich, dass diese Information folgendermaßen zu übersetzen ist: Das
ist die Ein-Aus-Taste. Wenn Sie Pech haben, funktioniert sie nicht.
Interessiert las ich im Manual
weiter. Auf den folgenden zwei Absätzen kam es kaum zu Problemen,
wenn mich auch die Meldung
Die Erweiterungsschnittstelle
bietet einen 120-poligen Dockanschluß zum Anschluß eines
Portreplikators
ein wenig verwirrte. Unangenehm
berührte mich die Nachricht zum Thema Akku:
Die Batterie verfügt über ein
Schutzdesign, das die Temperatur während des Aufladens erkennt.
Eigentlich hätte ich zu diesem
Zeitpunkt gerne die Hotline angerufen, aber ich fand die beigelegte
Telefonwertkarte, die ich verwenden sollte, leider nicht. Die
Information, dass eine Minute Information ATS 13.- pro Minute kostet,
schreckte mich ab, daher ging ich weiter im Text:
Kapital 2: Betrieb
Allmählich wurde mir klar, dass
der Betrieb eines Notebooks sehr viel Kapital benötigt, denn auf
Kapital 2 folgt in meinem Manual unweigerlich Kapital 3. Immerhin kann
man sich dabei bestens unterhalten, wer bewahrt schon Ernst, wenn es
heißt:
Reinstalling the Kühlblech.
Achten Sie darauf, daß das Kühlblechkabel korrekt plaziert ist.
Da ich weder Kühlblech noch
Kühlblechkabel fand, ging ich im Eilzugstempo die weiteren Punkte
durch, die da lauten:
Zugang zum 8-Pol DIP-Schalter
Zugang zu den Speichersockeln
Schalten Sie den Systemstrom auf, drücken Sie die zwei
Tastaturlaschen, ... finden Sie den Speichersockel!
Wo der gesuchte Sockel ist,
weiß der liebe Gott, ich weiß nicht einmal, was der Systemstrom ist.
Meine Flasche Rotwein, die ich
gegen einen nahenden Herzinfarkt geöffnet hatte, war mittlerweile
halb leer bzw. noch immer halb voll, als mir mein Manual mitteilte,
dass
das Notebook ist equipped mit a
2.5* IDE Festplattenlaufwerk mounted in a austauschbar case.
Meine Vermutung, dass für
Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche ausschließlich Thailänder
finnischer Herkunft mit Muttersprache Suaheli tätig sind, wurde zur
Gewissheit. Ich beschloss, mein Notebook at first ins case zu taken,
um later on es zu open and mich furtherhin mit etwas Einfachem zu
beschäftigen.
Meine Freundin, die mittags ein
wenig gekränkt schien, weil ich morgens nicht mit ihr frühstücken
konnte und auch das Mittagessen versäumte, brachte mir einige
Schnitten Zwieback und zwei große Tassen Kaffee vorbei. Es sei bald
Mitternacht und sie müsse morgen früh raus.
Ich mache nur schnell den
Anschluss, sagte ich. Sie nickte verständnisvoll.
Die Post, heute Telekom genannt,
hatte mir nach einigen Diskussionen und Telefonaten rucki-zucki in 3
Monaten einen ISDN-Anschluss installiert, damit ich beim Blick ins
weltweite Netz nicht einschlafe. Natürlich bekam ich ein Manual, das
glücklicherweise Bedienungsanleitung heißt. Das machte mir Mut und
ich beginne, meinen nagelneuen ISDN-Anschluss zu installieren. Thomas
Gottschalk steh mir bei!
Auf Seite 3 ist bereits das
Inhaltsverzeichnis. Die Seitenangaben sind in klar verständlichem
Deutsch geschrieben (Seite 4, Seite 5, Seite 6 usw.), was mir sehr
imponierte. Mit dem dazugehörigen Text hatte ich anfangs keine
Schwierigkeiten, wenn man von den Begriffen CFU – Call Forwarding
Unconditional, Emergency Terminal oder CFNR – Call Forwarding No
Reply einmal absieht.
Kühn begann ich mit der
Konfiguration, die Installation war mir bereits von der Telekom
abgenommen worden. (Die NT+2ab wird mit 2 Schrauben an einer ebenen
Wand mit dem Kabelanschlussbereich nach unten montiert.) Nach unten
deshalb, weil Strom wegen der Schwerkraft nicht nach oben fließen
kann. Aber das verstehen nur wir Techniker!
Die Konfiguration ist laut
Telekom-Text ganz einfach:
... sie erfolgt über
DIP-Schalter und MFV-Signale eines angeschlossenen
Analogtelefons.
Fein. Vor allem deshalb, weil
die DIP-Schalterstellungen so einfach einzustellen sind:
Der Schalter SW1 dient zur
Einstellung der Grundkonfiguration und verschiedener Testimpulse.
Nicht genug mit dieser simplen
Angabe, es gibt, für technisch unbegabte Konsumenten, noch
zusätzlich eine Skizze, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: